Mittwoch, 21. Oktober 2009, 12:21:30 Uhr
Europas Vorreiterrolle bei der Pressefreiheit wackelt
Reporter ohne Grenzen legt neue Rangliste vor – USA holen auf
Reporter ohne Grenzen warnt vor einem Verfall der Pressefreiheit in Europa. Zwar besetzten europäische Staaten die Mehrheit der ersten 20 Plätze auf der «Rangliste der Pressefreiheit 2009», wie die Organisation am Dienstag in Berlin mitteilte. Es sei jedoch «beunruhigend», dass Staaten wie Frankreich, Italien oder die Slowakei erneut abrutschten.
Deutschland konnte sich um zwei Plätze auf Rang 18 verbessern. Mit einem «Obama-Effekt» arbeiteten sich die USA vom 40. auf den 20. Rang vor.
«Europa sollte eine Vorreiterrolle bei der Gewährung von bürgerlichen Freiheiten spielen», erklärte ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard und meinte: «Wie können europäische Staaten Verstösse gegen die Pressefreiheit in der Welt verurteilen, ohne sich auf dem eigenen Territorium vorbildlich zu verhalten?»
Auf der Rangliste verlor Frankreich mit dem 43. Platz im Vergleich zum vergangenen Jahr acht Ränge, Italien fünf (49.), die Slowakei sogar 37 Plätze (44.). Der EU-Beitrittskandidat Türkei sank um 20 Plätze im Ranking und steht auf Rang 122. In einigen europäischen Ländern sind Journalisten auch vor körperlichen Angriffen nicht sicher: In Italien sind laut ROG mafiose Gruppen und in Spanien die ETA für Gewalt und Drohungen gegen Medienvertreter verantwortlich.
BKA-Gesetz fällt negativ ins Gewicht
Bei der Bewertung für Deutschland fiel das BKA-Gesetz mit seiner Möglichkeit zur Online-Durchsuchung und Telekommunikations-Überwachung negativ ins Gewicht. Minuspunkte von ROG gab es zudem für «Tendenzen der Pressekonzentration», dem immer noch unzureichenden Zugang zu öffentlichen Informationen sowie für vereinzelte Fälle von körperlichen Übergriffen auf Journalisten.
Zu den Schlusslichtern der Rangliste gehört Iran. Dahinter folgen nur noch Turkmenistan (173.), Nordkorea (174.) und Eritrea (175.) Isräl verzeichnet einen Absturz um 47 Positionen und liegt nun auf Platz 93.
Die deutliche Verbesserung der USA führt ROG auch auf den «neuen politische Kurs» von Präsident Obama zurück. Nach dessen Amtsantritt sei die Zahl der Fälle von Verletzungen des Quellenschutzes im Namen der nationalen Sicherheit zurückgegangen. Zudem gebe es ernsthafte Bemühungen, den Zugang zu öffentlichen Informationen zu verbessern.
Ein anderes Bild ergebe sich jedoch bei der Betrachtung von Auslandseinsätzen der USA. Die Haltung amerikanischer Militär- und Sicherheitsbehörden gegenüber Medien im Irak und Afghanistan bleibe besorgniserregend. ROG habe in beiden Ländern Übergriffe von Journalisten durch das US-Militär sowie mehrere Festnahmen von Pressevertretern dokumentiert.
Für die Rangliste wurden Verstösse gegen die Pressefreiheit genauso wie Bemühungen der Staaten, dieses Menschenrecht umzusetzen, im Zeitraum von September 2008 bis Ende August 2009 berücksichtigt.
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