Gesunder Schlaf
Schlafmützen leben länger
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Schlaf ist die beste Medizin
Der Schlaf und die Immunabwehr sind zwei lebenswichtige Funktionen, die sich gegenseitig günstig beeinflussen.
Schlafmangel macht mürbe – der Kopf schmerzt, und die Konzentrationsfähigkeit sinkt. Auch die Körperabwehr geht nach einer durchwachten Nacht in die Knie; darauf weisen verschiedene Studien der letzten Jahre hin. Der Psychologe Sheldon Cohen und andere Wissenschafter von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA, haben erstmals gezeigt, dass schon relativ geringe Störungen des Schlafs die Widerstandskraft des Körpers gegenüber einer Virusattacke schmälern können.¹
Die Forscher hatten rund 150 gesunden Testpersonen, die vorab nach ihren Schlafgewohnheiten befragt worden waren, Erkältungsviren in die Nase geträufelt. Diejenigen Personen, die gewohnheitsmässig weniger als sieben Stunden pro Tag schliefen, erkrankten danach rund dreimal häufiger an einem Schnupfen als ausdauernde Schläfer. Bei Probanden mit niedriger «Schlafeffizienz», Personen also, die schwer einschlafen konnten oder nachts häufig aufwachten, war das Erkrankungsrisiko sogar um den Faktor fünf erhöht.
Dies zeigt, dass das Immunsystem bei ausreichender Nachtruhe am effektivsten gegen die Viren vorgehen kann. Aber warum und wie beeinflusst der Schlaf die Körperabwehr? Möglicherweise nutzt das energieintensive Immunsystem die nächtliche Ruhephase, wenn andere Körperprozesse heruntergefahren sind, zum «Auftanken» – etwa um den hohen Verschleiss an weissen Blutzellen wieder auszugleichen. Diese Ansicht vertritt Brian Preston vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.² Zusammen mit anderen Forschern verglich er kürzlich die Schlafdauer von 26 Säugetierarten und deren Anfälligkeit für Parasiten. Das Resultat: Je länger die Tiere täglich schliefen – die Zeit variierte bei den untersuchten Arten zwischen 3 und 20 Stunden –, desto mehr weisse Blutkörperchen fanden sich im Blut, und umso besser waren sie gegen Parasiten geschützt. Im Laufe der Entwicklungsgeschichte habe es sich, so die Erklärung der Leipziger Forscher, für manche Arten offenbar gelohnt, trotz Einbussen bei der Nahrungsaufnahme und zeitweiliger Wehrlosigkeit, in einen ausgedehnten Schlaf und damit ein starkes Immunsystem zu investieren.
Dass Schlaf gut für die Immunabwehr sei, sei unbestritten, sagt auch Thomas Bollinger vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Lübeck. Nur über welche Mechanismen dieser Einfluss erfolge, sei eine komplizierte und zum Teil noch unverstandene Angelegenheit. In der Hansestadt läuft seit vielen Jahren ein grosses Forschungsprojekt, das sich mit der Bedeutung des Schlafs für die Gedächtnisbildung, den Stoffwechsel und das Immunsystem beschäftigt. Bei Personen, die vom Schlafen abgehalten wurden, verringerte sich im Experiment die Vermehrungsfreudigkeit jener Abwehrzellen (T-Helfer-Zellen), die für das Starten einer Antikörperantwort gegen Viren unerlässlich sind. Ausserdem bringe ein Schlafmangel die natürlichen Schwankungen im Auftreten von Immunzellen durcheinander. So tauchten die meisten von ihnen normalerweise nachts vermehrt und aktionsfreudiger im Blut auf als tagsüber. Einen solchen Rhythmus konnten die Lübecker jetzt auch bei den sogenannten regulatorischen T-Zellen nachweisen, die als Wächter eine Abwehrreaktion gegen körpereigenes Gewebe verhindern helfen. Allerdings sagen diese Messungen nicht viel über die Stärke der Körperabwehr zu einer bestimmten Tageszeit aus. Denn wesentliche Aktivierungsschritte spielen sich bei einer Immunantwort nicht im Blut ab, sondern in den Schaltzentralen der Abwehr, den Lymphknoten. Dennoch bilden die natürlichen Schwankungen der Immunzellverteilung im Körper offenbar einen wichtigen Baustein für eine gut funktionierende Immunabwehr.
Massgeblich mitbeteiligt an der engen Verquickung von Schlaf und Immunsystem ist wohl die Tatsache, dass die beteiligten Nerven- und Immunzellen teilweise über dieselben Botenstoffe kommunizieren. Das führt nicht nur dazu, dass der Schlaf die Körperabwehr beeinflusst, auch die Aktivität des Immunsystems wirkt sich auf das Schlafverhalten aus. Das dürfte jedem aus eigener Erfahrung gut bekannt sein: Bei einem Infekt stellt sich rasch der Drang ein, das Bett aufzusuchen und sich gesund zu schlafen, was den Genesungsprozess zweifellos unterstützt.
Auch im Gehirn werden Faktoren produziert, die die Aktivität von Immunzellen beeinflussen. Dazu gehören etwa die Hormone der Hirnanhangdrüse wie das Prolaktin und das Wachstumshormon, die in einem schlafabhängigen Rhythmus ins Blut ausgeschüttet werden. Durch diese Schwankungen ändert sich das Milieu, in dem sich die Abwehrzellen bewegen. Es ist daher kein Wunder, dass sich die Immunzellen am Tag anders verhielten als nachts. Würden die natürlichen Hormonschwankungen durch Schlafmangel durcheinandergebracht, leide auch die Immunabwehr.
Vielleicht wird es durch diese Erkenntnisse für einige von uns wieder einfacher, schlafen nicht als notwendiges Übel, sondern als Gesundheit erhaltendes und Lust volles Erlebnis zu geniessen.
¹ Archives of Internal Medicine 169, 62–67 (2009)
² BMC Evolutionary Biology, Online-Publikation vom 9. Januar 2009 (doi:10.1186/1471-2148-9-7)
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